Monday, January 30, 2012

Advisory Mandates

Beratungsmandate

Wie zweckmässig wäre es für David Beckham gewesen, den manche in seinen besten Zeiten für einen Gott mit Ball und andere für einen androgynen Deppen hielten, wenn er einen verlässlichen Berater wie ihn, Maag, zur Seite gehabt hätte! Und täte es nicht Not, solche Unterstützung auch Zeigefinger Obama und Cavaliere Berlusconi, dessen potente Vielseitigkeit so unbestritten ist wie die moralische Autorität seines amerikanischen Kollegen, angedeihen zu lassen. Beratungswürdig wären unter anderem auch Lady Gaga, deren bizarre Outfits bei weitem eindrücklicher sind als ihr Stimmvolumen, und Queen Elizabeth II, der mittlerweile ein ganzes Jahrhundert an der Spitze des englisches Königshauses zugetraut werden kann. Doch so sehr er sich auch bemüht, gelangt er jedesmal zum selben Schluss: Beratung setzt Beratbarkeit voraus. Womit ihm nichts anderes übrig bleibt, als auf ein entsprechendes Mandat zu verzichten, egal, wie hartnäckig man ihn auch bearbeiten wird.

Advisory Mandates

Imagine how useful it would have been for David Beckham—who, at his peak, some considered a soccer god and others took for an androgynous fool—to have had a dependable advisor like him, Maag, at his side! And wouldn’t it be of benefit to provide finger-wagging Obama and il cavaliere Berlusconi—the potent many-sidedness of the latter being as undisputed as the moral authority of his American colleague—with such assistance. Others deserving of advisory services would include Lady Gaga, whose bizarre outfits are more impressive, by far, than the volume of her voice, and Queen Elizabeth II, who can now be thought capable of an entire century at the head of the English royal house. But try as he might, he keeps coming to the same conclusion: taking advice assumes an ability to accept advice. Which leaves him with no choice but to refuse a corresponding mandate regardless of how persistent the attempts to persuade him will be.

Tuesday, October 25, 2011

La-la-la-la

La-la-la-la


„Mmh!“ Mit geschlossenen Augen schiebt Minetti eines von Lellis Lutschbonbons in den Mund.
„Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass sie diese bitterscharfen Dinger wirklich mögen“, sagt Lelli spöttisch. „Ich nehme sie lediglich, um meine Stimme geschmeidig zu erhalten.“ Zur Bekräftigung schleudert er mit der Allüre eines Heldentenors in aufsteigender Folge ein schallendes La-la-la-la über den Paradeplatz.
Polizeiassistentin Coltorti, die in der Mitte des Platzes steht und, die Hände auf dem Rücken, den Verkehrsfluss begutachtet, dreht sich um und hebt bewundernd die Hand.
„Wir kennen uns“, sagt Lelli bescheiden.
„Wir ebenfalls“, sagt Minetti, auf die eigene Stimme horchend. Ob das Bonbon auch bei ihm schon zu wirken beginnt?

La-la-la-la

“Mmm!” His eyes closed Minetti puts one of Lelli’s lozenges in his mouth.
“You’re not trying to make me believe you really like these bitter-tasting things,” Lelli mocks, “I take them simply to keep my voice supple.” To reinforce his words with action, he hurls, with the airs and graces of a heroic tenor, a resounding ascending la-la-la-la across Parade Square.
Police assistant Coltorti, who is standing in the middle of the square, and, with her hands behind her back, is inspecting the flow of traffic, turns around and raises her hand in admiration.
“We know each other,” Lelli says modestly.
“We do too,” Minetti replies, listening to his own voice. Has the lozenge likewise started to work for him?

Monday, September 19, 2011

Zahlen - Numbers



Zahlen

„Lassen Sie mich abschliessend mit einem Beispiel belegen, dass die Welt der Zahlen, insbesondere der statistischen, faszinierend und oftmals beklemmend ist. Eine Recherche hat ergeben, dass weltweit jeder vierte Patient, der einen Arzt in Anspruch nimmt, an einer behandlungsbedürftigen, psychischen Erkrankung leidet. Da alle Menschen spätestens ab der Lebensmitte hin und wieder einen Arzt benötigen und Regierungen grösserer Länder über deutlich mehr als zwanzig Kabinettsmitglieder verfügen, die zu 95% dieses Alter deutlich hinter sich haben“, referiert Maag, „bedeutet das statistisch, dass pro Regierung mindestens fünf Minister einer Behandlung bedürften; nicht auszudenken, was wäre, wenn dies ausgerechnet die wichtigsten Positionen betreffen würde. Diese Erkenntnis schockiert, kann jedoch angesichts der politischen Desaster, die überall angerichtet werden, nicht überraschen. Unwiderlegbar treffen die erwähnten Zahlen auch auf Parlamente, Armeekader, Verwaltungsräte, Partei- und andere -vorstände zu … Bitte verlängern Sie die Liste selbst. Ich danke Ihnen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.“
Maag verneigt sich leicht vor dem Spiegel, der über dem Cheminée hängt, und steigt zufrieden vom Schemel, auch wenn er  sich bewusst ist, dass der Schluss noch einer gewissen Zuspitzung bedarf.


Numbers

“Allow me to conclude with an example which illustrates that the world of numbers—statistical numbers in particular—is both fascinating and, quite frequently, disturbing. Research has revealed that worldwide every fourth patient who enlists the services of a doctor suffers from a mental illness needing treatment. The fact that all people, at least from midlife on, require a doctor from time to time, and governments of major countries have considerably more than twenty cabinet members, 95% of whom have well exceeded middle age,” Maag states, “means statistically that per government at least five ministers would be in need of treatment—and just imagine if these were the very ministers occupying the most important positions! Though alarming, this finding cannot, given the political devastation being wreaked all around us, come as a surprise. The numbers referred to here also irrefutably apply to parliaments, army cadres, administrative boards, executive committees of parties and other bodies … I leave it to you, ladies and gentlemen, to continue the list yourselves. Thank you for your attention.”
Maag makes a slight bow in front of the mirror over the fireplace and steps off the footstool with a sense of satisfaction, even though he is aware that the conclusion still needs a bit more urgency.

Friday, May 20, 2011

Vielleicht sollte Rita - Maybe Rita Should

Vielleicht sollte Rita

„Rita ist nicht deine Freundin!“, ruft Willi und zerschneidet mit der Heckenschere triumphierend die Luft.
„Nein, das ist sie nicht“, gibt Minetti zu.
„Aber vielleicht sollte sie es sein?“, grinst Willi.
Minetti hätte nicht gedacht, dass er sein Spiel so schnell durchschauen würde. Erst tags zuvor hatte er sich vorgestellt, er – und nicht Willi – sei Chef des Zentralparks, und schon sah er die etwas farblose Anlage von prächtigen Blumen und üppigen Sträuchern überwachsen. Dann stellte er sich vor, was Willi als Minetti tun würde, blieb aber immer am selben Bild hängen: Mit Rita am Arm schlendert dieser Geck, hin und wieder andere Besucher grüssend, durch die Hauptallee und zeigt ihr seinen blühenden Park.
„Ja, vielleicht sollte sie es sein“, sagt er betrübt, lässt Willi stehen und macht sich auf den Weg ins Stadtcafé. Vor dem Eingang bleibt er stehen. Ob er Rita zu einem gemeinsamen Spaziergang einladen soll? Als Minetti? Um ihr den Zentralpark so zu zeigen, wie er ihn sich vorstellt?

Maybe Rita Should

“Rita is not your girlfriend,” Willi shouts hacking triumphantly at the air with his hedge-clippers.
“No, she is not,” Minetti admits.
“But maybe she should be?” Willi grins.
Minetti hadn’t expected Willi to see through his game so quickly. Just yesterday he’d imagined that he—not Willi—was running City Park and instantly he saw the somewhat colorless grounds overgrown with magnificent flowers and lush shrubbery. He then envisioned what Willi would do as Minetti, but couldn’t get past one particular image: Willi, that conceited fop, strolling on the main path, Rita on his arm, greeting other visitors from time to time, and showing her his flourishing park.
“Yes, maybe she should,” he says dejectedly, and leaving Willi he heads for City Cafe. At the entrance he stops. Should he invite Rita for a walk? As Minetti? To show her City Park as he envisions it?

Thursday, March 24, 2011

Vielleicht sollte Ana Bela - Maybe Ana Bela Should

Vielleicht sollte Ana Bela

„Alle Instrumente der Welt könnte sie spielen“, ruft Willi mit untypischer Erregung, „nur dieses nicht – das Saxophon!“
„Ach wirklich?“ Auch Maag ist aufgebracht. Er kann sich Ana Bela ausschliesslich als eine Saxophonistin vorstellen.
„Unmöglich!“ ruft Willi und schiebt ihm drohend den Rechen entgegen.
„Vielleicht sollte Ana Bela eine Saxophonistin sein“, bietet Maag schnell an.
Das entspannt die Situation. Der Gärtner wendet sich mit dem Rechen von ihm ab und dem Rasen zu.
Maag, der den verbalen Schlagabtausch für sich entschieden glaubt, gerät in den Sog neuer Gedanken. Den Zentralpark in nördlicher Richtung verlassend, stellt er sich vor, der unangenehme Hermeling sei ein charmanter Reiseführer mit Spezialgebiet „Griechische Inseln“. Lelli sieht er an Liebreichs Stelle als Kontaktbeamten des Viertels, worauf er diesen versuchsweise an Darbellays Schreibtisch in dessen Notariat setzt. Und Notar Darbellay? Könnte es sein, um einen Sprung zu den Grossen der Welt zu machen, dass er Mozarts Musik komponiert hat? Nein, gesteht er sich ein, doch hält ihn das nicht davon ab, sich Mozart vorzustellen, der Picassos Bilder gemalt, Picasso, der Martin Luther Kings Friedensmärsche angeführt, Martin Luther King, der die Märchen der Gebrüder Grimm geschrieben, die gelehrten Gebrüder Grimm, die –
Unsinn! denkt er und bleibt abrupt stehen, was ihm den zornigen Blick einer jungen Frau einträgt, die dicht hinter ihm herlief. Was wäre für die Welt schon gewonnen, sich diese vorzustellen, wie sie ohnehin ist, nur von anderen geschaffen.

Maybe Ana Bela Should

“She’d be able to play every instrument in the world,” Willi shouts with an agitation unusual for him, “just not this one—the saxophone!”
“You think so?” Maag too is riled. He can’t imagine Ana Bela as anything but a saxophonist.
“Impossible!” yells Willi thrusting the rake toward him menacingly.
“Maybe Ana Bela should be a saxophonist,” Maag quickly offers.
That eases the tension. Gardener and rake turn away from him and toward the grass.
Maag, believing to have secured a victory in the clash of words, gets caught in a maelstrom of new thoughts. Exiting City Park toward the north he imagines the disagreeable Hermeling as a charming tour guide, the “Greek Islands” his area of expertise. He envisions Lelli in Liebreich’s position as captain of the precinct, and tries out Liebreich at Darbellay’s desk in the notary’s office. And Darbellay the notary? Can it be—making a leap to the greats of the world—that he composed Mozart’s music? No, he admits to himself, though it doesn’t keep him from imagining Mozart as the painter of Picasso’s pictures, Picasso as the leader of Martin Luther King’s peace marches, Martin Luther King as the author of the brothers Grimm’s fairy tales, the learned Brothers Grimm as –
Nonsense! he thinks stopping abruptly and thereby incurring the angry look of a young woman who had been walking closely behind him. What would the world really gain were one to imagine it as it already is only created by others?

Saturday, January 29, 2011

Menschen - Human Beings

Menschen

„Ärzte“, sagt Maag und schnippt einen Käfer vom Ärmel seines Jacketts, „sind Menschen wie du und ich. Man denke nur etwa an den Herrn Guillotin, der die Guillotine erfunden hat.“
Willi wischt einige widerspenstige Blätter vom Mittelweg des Zentralparks auf seine Schaufel.
„War Herr Guillotin denn Arzt? Bist du sicher?“
„Eben!“ sagt Maag triumphierend. „Von allen Berufsgattungen käme einem diese am wenigsten in den Sinn.“
Wie um sein Argument zu unterstützen, fegt der Wind die Blätter von der Schaufel.
„Kaum zu glauben!“ staunt dieser. „Ein Arzt erfindet etwas so Lebensfeindliches wie die Guillotine?" Nachdenklich beobachtet er das herumwirbelnde Laub. Plötzlich richtet er sich auf und ruft mit schallender Stimme in den Park hinaus: „Zur Feier des Tages verfüge ich eine Blätteramnestie, gültig für das gesamte Territorium des Zentralparks.“
„Feier?“ fragt Maag, überrascht von seinem unerwartetem Ausbruch.
„Ist heute nicht der vierzehnte Juli?“
Wie zum Hohn bläst der Wind ein paar begnadigte Blätter auf die Schaufel zurück.
„Du hast recht“, sagt Maag verblüfft. „Das muss man sich einmal vorstellen: Der Arzt Guillotin erfindet die Guillotine, um die Befürworter – oder Gegner, ich weiss nicht mehr – der Französischen Revolution auf maschinelle Weise humanitärer hinzurichten. “
„Zumindest effizienter“, meint Willi, legt die Schaufel auf seinen Karren und entfernt sich.
„Zack – und die Rübe ist ab“, hört ihn Maag noch vor sich hin murmeln. Mit einem Mal kommt ihm der Park wie ausgestorben vor.


Human Beings

“Doctors,” Maag says, flicking a beetle off the sleeve of his jacket, “are human beings like you and me. For instance, just think of Joseph Ignace Guillotin, inventor of the guillotine.”
Willi whisks a few unruly leaves from the main path of City Park onto his dustpan.
“Guillotin was a doctor? Are you sure?”
“Exactly!” Maag says triumphantly. “Of all possible professions this would be the last you’d think of.”
As if lending support to his argument, the wind sweeps the leaves from the dustpan.
“Hard to believe!” Willi is amazed. “A doctor inventing something so hostile to human life as the guillotine?” He observes the swirling foliage thoughtfully. Suddenly, he stands up straight and shouts into the park, his voice ringing out: “In honor of the occasion I decree a leaf amnesty, applicable to all of City Park.”
“Occasion?” Maag asks, surprised by this unexpected outburst.
“Isn’t today July 14th?”
As if in defiance, the wind blows a few amnestied leaves back onto the dustpan.
“You’re right,” Maag says astounded. “Just imagine: Guillotin, the doctor, invents the guillotine in order to more humanely execute, using mechanical means, the supporters—or the opponents, I don’t know anymore—of the French Revolution.”
“At least more efficiently,” reckons Willi, placing the dustpan on his cart and walking away.
“Chop—and off with your head” Maag hears Willi muttering to himself. All of a sudden, the park seems dead to him.

Wednesday, December 1, 2010

Monströse Vorstellung - Monstrous Notion

Monströse Vorstellung

Eines Morgens erwacht Maag mit der Vorstellung, alle Menschen seien Päpste. Hilflos, ohne das Licht anzudrehen, versucht er, die Konsequenzen abzuschätzen. Aus jedem Fenster, an jeder Ecke, ja selbst im Zentralpark würde ziel- und masslos der Segen erteilt! Endloses Gemurmel würde sich wie eine Grundwelle in die ohnehin schon zu laute Welt mischen. Und was wäre mit den Frauen? Dürften sie endlich den Segen spenden? Würden Kirchen noch benötigt oder hätte jeder seine eigene, der Bischof den Dom, Willi seine Gerätehalle? Rita das Stadtcafé? Allein schon diese Vorstellung: Willi – ein Papst! Oder Ana Bela, Lelli, Hermeling. Wie verhielte es sich mit den zehn Geboten? Würden sie augenblicklich revidiert? Würden alle, wenn sie in einem neuen Land ankämen, den Boden küssen? Liesse sich jeder und jede in einem Gehäuse aus Panzerglas herumchauffieren, den Zölibat verteidigend, Fruchtbarkeit predigend, das Verkehrsproblem endgültig unlösbar machend? Alle wären unfehlbar – auch Minetti?
Maag, der sich der Tatsache bewusst ist, nur schlecht mit Kritik, vor allem gerechtfertigter, umgehen zu können, stürzt mit glühendem Kopf zum Fenster, reisst beide Flügel gleichzeitig auf, wedelt mit den Armen und murmelt lateinische Worte, von denen er nicht einmal geahnt hat, dass sie in ihm schlummerten.


Monstrous Notion

One morning Maag awakens with the notion that everyone is a pope. Helplessly, without turning on the light, he attempts to assess the consequences. From every window, on every corner, even in City Park, the papal blessing would be bestowed, randomly and excessively! A steady drone of endless muttering would mix with the sounds of the already too-loud world. And what about women? Would they finally be allowed to give the Benediction? Would churches still be necessary or would each have his or her own, the bishop the cathedral, Willi his tool shed? Rita the City Cafe? Even the mere thought: Willi—a pope! Or Ana Bela, Lelli, Hermeling. And then there’s the Ten Commandments? Would they be subject to immediate revision? Would everyone kiss the ground upon arriving in a new country? Would each and every person be chauffeured around in a shell of bulletproof glass, defending celibacy, preaching fertility, making the traffic problems insoluble once and for all? Everyone would be infallible—including Minetti?
Maag, who is conscious of the fact that he doesn’t deal well with criticism, especially when justified, makes a mad dash to the window. Flinging open both casements at once he waves his arms, muttering Latin words he never suspected were slumbering within him.