Wednesday, December 1, 2010

Monströse Vorstellung - Monstrous Notion

Monströse Vorstellung

Eines Morgens erwacht Maag mit der Vorstellung, alle Menschen seien Päpste. Hilflos, ohne das Licht anzudrehen, versucht er, die Konsequenzen abzuschätzen. Aus jedem Fenster, an jeder Ecke, ja selbst im Zentralpark würde ziel- und masslos der Segen erteilt! Endloses Gemurmel würde sich wie eine Grundwelle in die ohnehin schon zu laute Welt mischen. Und was wäre mit den Frauen? Dürften sie endlich den Segen spenden? Würden Kirchen noch benötigt oder hätte jeder seine eigene, der Bischof den Dom, Willi seine Gerätehalle? Rita das Stadtcafé? Allein schon diese Vorstellung: Willi – ein Papst! Oder Ana Bela, Lelli, Hermeling. Wie verhielte es sich mit den zehn Geboten? Würden sie augenblicklich revidiert? Würden alle, wenn sie in einem neuen Land ankämen, den Boden küssen? Liesse sich jeder und jede in einem Gehäuse aus Panzerglas herumchauffieren, den Zölibat verteidigend, Fruchtbarkeit predigend, das Verkehrsproblem endgültig unlösbar machend? Alle wären unfehlbar – auch Minetti?
Maag, der sich der Tatsache bewusst ist, nur schlecht mit Kritik, vor allem gerechtfertigter, umgehen zu können, stürzt mit glühendem Kopf zum Fenster, reisst beide Flügel gleichzeitig auf, wedelt mit den Armen und murmelt lateinische Worte, von denen er nicht einmal geahnt hat, dass sie in ihm schlummerten.


Monstrous Notion

One morning Maag awakens with the notion that everyone is a pope. Helplessly, without turning on the light, he attempts to assess the consequences. From every window, on every corner, even in City Park, the papal blessing would be bestowed, randomly and excessively! A steady drone of endless muttering would mix with the sounds of the already too-loud world. And what about women? Would they finally be allowed to give the Benediction? Would churches still be necessary or would each have his or her own, the bishop the cathedral, Willi his tool shed? Rita the City Cafe? Even the mere thought: Willi—a pope! Or Ana Bela, Lelli, Hermeling. And then there’s the Ten Commandments? Would they be subject to immediate revision? Would everyone kiss the ground upon arriving in a new country? Would each and every person be chauffeured around in a shell of bulletproof glass, defending celibacy, preaching fertility, making the traffic problems insoluble once and for all? Everyone would be infallible—including Minetti?
Maag, who is conscious of the fact that he doesn’t deal well with criticism, especially when justified, makes a mad dash to the window. Flinging open both casements at once he waves his arms, muttering Latin words he never suspected were slumbering within him.